Diskussionsabend

Vortrag und Diskussion zur These eines biotechnologischen Systemwechsels
Wann: 
26. Oktober 2023, 18:00 – 20:00 Uhr
Wo: 3pc GmbH Neue Kommunikation, Prinzessinnenstraße 1, 10969 Berlin

 

EINLADUNG

Wohin entwickelt sich der Mensch im digitalen Zeitalter? Abseits des Tagesgeschäfts möchten wir bei einem Diskussionsabend zur These eines biotechnologischen Sytemwechsels Denkanstöße geben, die uns von den ganz großen Fragestellungen zu konkreten Ideen für die Entwicklung digitaler Innovationen führen.

Den Impulsvortag hält unser Vorstandsmitglied Prof. Dr. Sebastian Sierra Barra. Er lehrt Organisationsentwicklung an der Evangelischen Hochschule Berlin und forscht seit Jahren auf dem Gebiet der Medienanthropologie.

Eine Programmbeschreibung sowie einen Text zur Einstimmung in das Thema finden Sie weiter unten.

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos. Wir bitten um eine Registrierung über unser Online-Formular.

Im Anschluss an die Vortragsdiskussion gibt es noch die Gelegenheit zum lockeren Netzwerken bei Wein und Brezeln.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.

 

PROGRAMMBESCHREIBUNG

In den letzten Jahrzehnten sind neue Infrastrukturen entstanden, die Informationstechnologien mit biologischen, kognitiven und sozio-kulturellen Systemen neu verknüpfen und dadurch die Bedingung für veränderte evolutionäre Entwicklungszusammenhänge hervorrufen.

In einem Impulsvortrag (45 min) soll dies an zwei ausgewählten Beispielen erläutert werden. Das eine Beispiel bringt veränderte Vorstellungen von Verwandtschaft ins Spiel, die durch die Möglichkeit biotechnologischer Eingriffe ins Erbgut hervorgebracht wurden und klassische Konzepte von Familie und sozialer Zugehörigkeit in Frage stellt. Das andere Beispiel nimmt die Raum-Zeitliche Organisation im Zeitalter digitaler Schaltungszustände in den Blick, in deren Folge territoriale Vorstellungen ebenso ins wanken geraten, wie Kategorien der Nähe und Ferne. 

Folgende Fragen begleiten die Überlegungen und stehen zur offenen Diskussion:
  • Wer sind die Treiber dieser Veränderungen?
  • Welche Folgen hat dies für unser Verständnis von Ökonomie?
  • Welche Potentiale für neue Geschäftsmodelle lassen sich herausarbeiten?

Im Anschluss an die Diskussion besteht die Möglichkeit zum lockeren Austausch bei Wein & Brezeln.

 

IMPULS: ÜBER DIE FOLGEN EINES BIOTECHNOLOGISCHEN SYSTEMSWECHSELS – EIN PAAR ÜBERLEGUNGEN

Von Prof. Dr. Sebastian Sierra Barra, Vorstand Xinnovations e. V.

Evolution wird zunehmend als Geschäftsfeld entdeckt. Das gilt nicht nur für transhumanistische Versprechen aus dem Silicon Valley. Dass Leben in sich selbst eingreift, sich durch Techniken und Technologien selbst organisiert und dadurch erst hervorbringt, bedeutet, diese nicht auf Instrumente oder Werkzeuge reduzieren zu können. Noch allgemeiner gesagt, lassen sich Medien als spezifische Arten und Weisen der Selbstorganisation beschreiben, die keine eindeutige Grenzziehung zwischen Mensch(en) und Technik(en) zulassen.

Mit dem Digitalen tritt nun ein neuer Modus des ‚organisierten Selbst‘ auf, das nicht mehr auf stabile Architekturen setzt, sondern auf formunabhängige online und offline Schaltungszustände (Vernetzung, Erweiterung, Hybridisierung etc.). Die Angebote zur begrifflichen Bestimmung dieser Veränderungen reichen von Postindustrieller Gesellschaft, über Wissensgesellschaft bis hin zur granularen Gesellschaft und einer der Singularitäten. Wie genau diese Transformationsprozesse zu fassen sind, für wen und mit welchen Folgen sie gelten, ist Gegenstand zahlreicher Debatten. Sie alle kreisen um die vorläuferlosen Entwicklungszusammenhänge, die Manfred Faßler als einen „biotechnologischen Systemwechsel“ beschrieb und damit ein Arbeitsfeld vorschlug, an dem Carsten Ochs und ich jahrelang mit ihm arbeiteten. Es ging uns darum, die evolutionäre Dimension gegenwärtiger Transformationsprozesse genauer in den Blick nehmen zu können, um Beobachtungs- und Beschreibungsfehler zu vermeiden. Dabei spielten die Stoff-, Energie-, und Informationsströme, die durch die global-vernetzten Infrastrukturen reorganisiert werden, eine große Rolle, um mit der Krise der klassischen Kategorien von Bio- und Soziosphäre, den Differenzen von Kultur, Technologie und Natur umgehen zu können. An ihre Stelle traten Überlegungen über die Zusammensetzungsweisen von Leben und welche Modi menschlicher und nichtmenschlicher Selbstorganisation unter den aktuellen Bedingungen zukunfts- und lebensdienlich sein können.

In unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen vollzog sich seit längerem ein Prozess, der die Aufmerksamkeit vom Sein aufs Werden richtete, von der Stabilität zur Instabilität. Diese Veränderungen interpretierten wir nicht zuletzt als Folge reproduktionsfähiger, künstlich hervorgebrachter Zustände, die als ‚Evolution von Evolutionsmechanismen‘ unserer Meinung nach ernsthaft diskutiert werden sollten. Uns ging es um nichts weniger, als Erklärungsmodelle zu entwickeln, mit denen die massive Schwächung der nationalstaatlichen Organisationsform, die dramatische Bedrohung demokratischer Systeme und der damit zusammenhängende Erfolg unterkomplexer Weltvorstellungen in den Kontext technologischer Neuerungen zu bringen.

Der Vortrag lädt dazu ein, über neue Beobachtungs-, Wahrnehmungs- und Entwurfspraktiken von Weltverhältnissen zu diskutieren und über neue Geschäftsmodelle und Neuentwürfe von Ökonomien und Demokratien nachzudenken.

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