Demokratie und digitaler Wandel

Nicht nur in Europa, sondern weltweit sind politische Kräfte auf dem Vormarsch, die liberal-demokratische Gesellschaften zerstören wollen. Statt nach menschlichem Fortschritt durch internationale Zusammenarbeit streben sie nach neoimperialer Macht. Individuelle Freiheit und die Menschenwürde jedes einzelnen sind bedroht. Gezielt nutzen sie digitale Infrastrukturen, um Gesellschaften zu emotionalisieren und zu spalten. Wo demokratische Systeme Schwächen aufweisen, werden Pseudolösungen propagiert, die autoritäre Führung verherrlichen. Menschen werden in die Irre geführt. Das Volk ist Mittel zum Zweck.

Auf diese Bedrohung müssen demokratische Gesellschaften eine Antwort finden. Deshalb widmen wir uns einem der drängendsten Themen unserer Zeit: der Zukunft der Demokratie im Kontext des digitalen Wandels.

Wo liegt das Problem?

Unsere demokratischen Strukturen und Prozesse sind größtenteils noch im Analogzeitalter verankert. In einer immer digitaleren Welt ist es jedoch unerlässlich, die Entwicklung von Demokratie und Technologie zusammenzudenken. Denn undemokratische digitale Infrastrukturen haben zunehmend Einfluss auf unser Leben und unsere Entscheidungen.

Was folgt daraus?

  • Die traditionellen demokratischen Modelle geraten durch neue gesellschaftliche und technologische Entwicklungen in Bedrängnis, was sich exemplarisch etwa in der Verschiebung von der Bürger:in zur User:in zeigt.
  • Viele unserer demokratischen Prozesse und Institutionen basieren auf Prinzipien, Methoden und Infrastrukturen, die im vor-digitalen Zeitalter entwickelt wurden. Wir benötigen hier Updates.
  • Die Notwendigkeit, Demokratie- und Technologieentwicklung gemeinsam zu betrachten, zeigt sich insbesondere daran, dass menschliches Leben zunehmend privatwirtschaftlich organisiert wird – ohne dass diese Märkte eine demokratische Legitimation haben oder Verpflichtung gegenüber sozialen Systemen eingehen.
  • Demokratische Produktentwicklung bis hin zu demokratischen Geschäftsmodellen sollten als essenzieller Bestandteil von zukunftsfähigen Demokratiemodellen verstanden werden.

Unser Anspruch

Wir wollen Demokratie neu denken und jenseits ihrer etablierten Strukturen zukunftsfähig gestalten. Demokratie- und Technologieentwicklung zusammen zu denken, heißt für uns, den scheinbar zwingenden Widerspruch zwischen privatwirtschaftlichen Interessen und sozialer Verpflichtung kritisch zu hinterfragen. Dazu entwickeln wir eine Programmatik, die vor dem Hintergrund des digitalen Wandels den Entwurf neuer demokratischer Infrastrukturen erlaubt.

So gehen wir vor

Unser Ansatz ist theoriegeleitet und pragmatisch zugleich. Den theoretischen Rahmen bilden die Denk- und Forschungsarbeiten unseres Vorstandsmitglieds Prof. Dr. Sebastian Sierra Barra. Sebastian ist Medien- und Kulturanthropologe und seit 2018 Professor für Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB). Sein Forschungsansatz verbindet Elemente aus Wissenschaft und Kunst, wobei er sich besonders für die Schnittstellen zwischen Technologie, Gesellschaft und menschlicher Entwicklung interessiert.

Daraus abgeleitet schaffen wir Experimentierräume, in denen wir Ideen für demokratische Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln und umsetzen können. Dazu vernetzen wir Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kunst und Kultur, die in eigenständigen Projekten demokratische Produkte entwickeln möchten. Ziel ist es, demokratische Produkte zu erproben und erfahrbar zu machen, um deren Nutzen für eine resiliente Demokratie und die Weiterentwicklung demokratischer Infrastrukturen aufzeigen zu können.

Wer sich für das Thema interessiert und in Zukunft mit uns zusammenarbeiten möchte, meldet sich gerne direkt bei Sebastian: sierrabarra@xinnovations.org

Bisherige Aktivitäten

Folgeworkshop Demokratie und digitaler Wandel – auf dem Weg zu demokratischen Produkten
18. März 2025

Die digitalen Infrastrukturen, die unsere Gesellschaften zunehmend bestimmen, sind hochgradig politisch. In einer Zeit, in der anti-demokratische Strukturen global erstarken, braucht es neue Ideen. Unser Vorschlag: wir entwickeln demokratische Produkte und setzen einen Kontrapunkt zu reaktionären Bewegungen. Unter diesen Vorzeichen lud Xinnovations Akteure aus Unternehmen und Hochschulen, aber auch aus dem Sozialwesen und dem Kulturbereich ein, um gemeinsam auszuloten, was demokratische Produkte sein könnten – und wie wir sie Realität werden lassen können.

Wenn Sie an demokratischen Produkten interessiert sind oder sogar schon eigene Ideen haben, schreiben Sie gerne an: sierrabarra@xinnovations.org

Von Kohle zu KI: Wie Technologie über Demokratie entscheidet
5. März 2025

In seiner Rede auf der MINT-Jahreskonferenz 2025 thematisierte Prof. Dr. Sebastian Sierra Barra die enge Verbindung zwischen MINT-Disziplinen und Demokratie im digitalen Zeitalter. Er argumentiert, dass Technologie nicht nur ein Werkzeug ist, sondern die Grundlage für neue Formen der gesellschaftlichen Selbstorganisation und Demokratiekonzepte bildet. Sierra Barra kritisiert, dass Tech-Eliten und politische Entscheidungsträger die Tragweite dieser Entwicklung oft verkennen oder gar ablehnen, indem sie Menschsein auf Konsum reduzieren und privatwirtschaftliche Interessen über demokratische Prinzipien stellen. Er fordert ein Umdenken, bei dem Demokratie als eine technologisch vernetzte Frage menschlicher Existenz neu gedacht wird. MINT-Bildung spiele in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle bei der Gestaltung zukünftiger, offener Lebensentwürfe. Abschließend betont er die Notwendigkeit, die Entwicklung digitaler Infrastrukturen nicht allein privatwirtschaftlichen Interessen zu überlassen, sondern gemeinschaftlich und demokratisch zu gestalten. Sein Redemanuskript findet sich hier zum Download (PDF).

Kickoff-Workshop Demokratie und digitaler Wandel
21. November 2024

Der Workshop diente einem konstruktiven Austausch über erste Ideen für demokratische Produkte, die die Schnittstelle von Demokratie und Technologie berücksichtigt. Eine Dokumentation der Ergebnisse findet sich hier.

Diskussionsabend zur These eines biotechnologischen Systemwechsels
26. Oktober 2023

Der Diskussionsabend wollte Denkanstöße geben, die uns von den ganz großen Fragestellungen zu konkreten Ideen für die Entwicklung digitaler Innovationen führen. Ein Text zur Einstimmung von Prof. Dr. Sebastian Sierra Barra findet sich hier.